RECHT HAT WER RECHT KENNT
Interessieren Sie sich für Kleinanzeigen? CHAOS COMPUTER CLUB
Wenn Sie jetzt antworten, die seien Ihnen nicht spannend genug, muss ich Sie leider eines Besseren belehren. Wenn Sie sich für Kleinanzeigen interessieren würden, dann wären Ihre Augen am 01. September 1981 in der Berliner Tageszeitung TAZ auf die Anzeige mit folgender Überschrift gestoßen: „Tuwat,txt“
Zu Hochdeutsch: Tu was!
Sie hätten sich gefragt: Was soll das?
Es handelte sich nicht um einen Geheimcode, sondern um eine Einladung der TAZ und fünf Computerfreaks. In jenen Tagen machten Horrorgeschichten über das Verderben durch Computer die Runde. Die links-alternative Zeitung und ihrer Computerfreunde sagten ihnen den Kampf an. Eine Einladung zur Aufklärung über die Wahrheit der Computer also, der Sie vielleicht gefolgt und in den Redaktionsräumen der TAZ gelandet wären. Mit 20 anderen Neugierigen hätten Sie dort die Geburtsstunde des CHAOS COMPUTER CLUBS miterlebt.
Ihre Grundsätze: Informationsfreiheit, Dezentralisierung, Schutz privater Daten
Ihr Ruf: berüchtigt
Ihre Welt: der Computer und das Internet
Und genau dort sind sie zu finden. Auf unzähligen Webseiten.
Informationen, Meinungen. Kommentare. Aufrufe. Aktionen.
Um über sie zu schreiben, muss man nicht mal einen Hacker treffen. Vor 30 Jahren wäre das ein heikles Unterfangen gewesen. Hacker waren soziale Außenseiter, arbeiteten anonym und wurden nicht all zu selten als kriminell verschrien. Die Mitglieder des CHAOS COMPUTER CLUB, kurz CCC, gelten in Deutschland heutzutage als die strahlenden Ritter unserer Informationsgesellschaft. Im Gegensatz zu ihren internationalen Kollegen sind sie zwar anerkannt, aber immer noch ernstzunehmende Computerhacker. Nur eben ein bisschen seriöser. Mittlerweile schreiben Mitglieder des CCC Expertisen für das Bundesverfassungsgericht, beraten bei der Erstellung der Datenschutzgesetze, nehmen an wichtigen Gesprächen in Berlin teil oder schreiben Leitartikel für die FAZ. Sie mischen sich überall da ein, wo unsere Ermittlungsbehörden handlungsschwach sind oder an ihre Grenzen stoßen, weil technische Entwicklungen immer schneller und umfangreicher werden. Kein Problem für den CCC. Der Verein geht mit der Zeit. Seine Devise heißt nicht glotzen, sondern handeln. Als man sich zum Beispiel noch per Telefon und Akustikkoppler in die Datenwelt einwählte, entwickelten die Hacker des CCC einen selbst gebauten Akustikkoppler, das DATENKLO. Seinen Namen verdankt er dem Spülbecken-Verbinder einer Toilette. Die Bauanleitung zu dieser Technikinnovation ist in der HACKERBIBEL nachzulesen. So heißen die zwei Ausgaben der hauseigenen Publikation des CCC. Beide stammen aus den 80igern. Ganz schön lange her. Wir fragen uns, ob da wohl noch ein paar Kapitel dazu kommen?
Kreative Eigenbauten wie das Datenklo dienen natürlich nur dem Schutz unserer Informationswelt. Da folgt der CCC einer ernstzunehmenden Daten-Ethik. Ist sie in Gefahr, weil es staatlichen Kontrollinstanzen an Einfluss und Ressourcen fehlt, tritt der CCC in Aktion. Manchmal müssen sich die virtuellen Kämpfer trotz ihrer Hilfestellung in Sachen Sicherheitslücken auch verbitterter Kritik stellen. In Form eines Innenministers zum Beispiel. Thomas de Maizière kommentierte das Aufdecken diverser Sicherheitsmängel bei dem elektronischen Personalausweis durch den CCC mit einer überaus schlauen Schlussfolgerung: „Irgendwelche Hacker mögen immer irgendwas hacken können.“
Das ist richtig.
Gott sei Dank.
Denn so können die Schwächen unserer Datenwelt aufgedeckt und behoben werden.
Aktuell äußerte sich der CHAOS COMPUTER CLUB zu einem offenen Brief von 51 Tatort-Autoren. Damit Sie selbst den – wie wir finden – amüsanten Austausch lesen können, haben wir beide Schreiben als PDF am Ende des Artikels bereitgestellt. In einem offenen Brief an die Grünen, Die Linke, die Piratenpartei und Fachausschüsse des Bundestags machten sich die Krimischreiber ordentlich Luft. Eher eine Klageschrift als eine antreibende Kritik. Ihnen geht es um die beispiellose Ungerechtigkeit in der Netzwelt.
So bezeichnet man also heute das Internet?
Netzwelt.
Und der CCC?
Wir sind uns sicher, dass er zuerst mit professioneller Sachlichkeit antworten wollte. Doch die augenscheinliche Internetblindheit der Autoren verleitete sie, eine ordentliche Portion Wahrheit, etwas Sarkasmus, viel Humor und Genervtheit beizumischen. Nicht ganz zufällig antworteten 51 CCCler. Sie machten darauf aufmerksam, dass auch sie durchaus Urheber seien, denn als Programmierer, Hacker, Gestalter, Musiker und Autoren erschaffen sie ebenfalls Content, der im Netz seinen Usern unentgeltlich zur Verfügung steht.
Und wir?
Das Internet oder – um es mit den Worten der Tatort-Autoren zu sagen – die Netzwelt, ist eine freie Welt und das soll sie bleiben. Denn sind wir mal ehrlich: Wo können wir weltweit mit unseren Anliegen so viele Menschen mit nur einem Klick erreichen? Wo können wir mit Worten, Musik, Bildern Millionen Menschen gleichzeitig berühren, inspirieren, wach rütteln und bereichern? Im Internet können sich Ideen, Gedanken und Träume frei entfalten, einfach nur existieren, ohne subjektive Kritik, ohne allgemein gültige Zensur. Hier zählt jede Meinung, so klein sie sei. Internet ist Kultur und Kommunikation und Kunst. Natürlich sollen auch hier persönliche Rechte respektiert werden. Aber das Internet auch. Wer es nutzt, sollte seine Vorzüge erkennen und begreifen. Sie sind nicht von der Hand zu weisen und wir würden uns wünschen, dass endlich ALLE erkennen, wie profitabel sie sind.
OFFENER BRIEF DER TATORT-AUTOREN
Quelle: www.drehbuchautoren.de