NEUES JAHR, NEUES GLÜCK?
Die rauschende Silvesternacht liegt bereits neun Tage hinter uns und so manch einer denkt obsessiv neben den einen oder anderen Vorsatz nur noch an das nun endlich kommende Glück im neuen Jahr.
Gewünscht wurde es zahlreich, soll es sich doch einstellen!
Was aber wird dann aus dem Pech?
Das will keiner? Nicht mal freiwillig?
PECH! Was soll das überhaupt bedeuten und wie und wann entsteht es?
Die Antwort?
In höllisch heißen Temperaturen von 700 Grad.
Praktisch gesehen.
Bei der thermo-chemischen Spaltung wird Holz unter Luftabschluss verschwelt. Ein Vorgang, der bei der Destillation von Erdöl, Kohle oder harzhaltigen Hölzern stattfindet. Dabei entsteht PECH.
Eine zähflüssige, tiefschwarze Masse.
Eine faszinierende Stofflichkeit, die in unserer menschlichen Vergangenheit vielseitig eingesetzt wurde. Ob für die Abdichtung von Schiffen, in Form von Klebe- und Brennstoffen oder als Brandfackel, Schmiermittel und Material bei der Schuhreparatur – PECH war ein willkommenes Ding.
Seine vielseitigen Eigenschaften nutzte der Mensch natürlich auch für martialische Belange und verwandelte Wertvolles in Unheilvolles.
In unserer wohl dunkelsten Epoche, dem Mittelalter, der Zeit der Ritter und Burgen, diente PECH als eine äußerst wirksame Waffe zur Verteidigung. Ein MUST HAVE auf mittelalterlichen Burgen war die PECHNASE, ein Wehrerker, der wie ein Trichter aus den Außenmauern hervorlugte. Der Boden war mit diversen Löchern versehen, durch die PECH auf die unwillkommenen Angreifer strömte. Davon erfasst, galt und gilt der Ausspruch: PECH GEHABT!
Die Belagerer nutzten wiederum PECH für ihre Attacke. Pfeilspitzen wurden damit sorgfältig bestrichen, in Brand gesetzt und auf Festung und Ritter abgefeuert.
Barbarischer war nur der Einsatz von PECH im weitesten Sinne bei der Folter und Bestrafung. Verbrecher und ungeliebte Zeitgeister wurden kurzerhand geteert und gefedert. TEER entsteht bei dem zu Beginn erwähnten thermischen Vorgang. Die dabei entstehenden Rückstände werden als PECH bezeichnet.
Sträflinge wurden per Beschluss entweder mit Teer übergossen oder bestrichen oder darin gewälzt. Anschließend bewarf man sie mit Federn und überließ sie sich selbst. Bildlich stellten sie ab sofort Vogelfreie dar. Bereits in der Antike brandmarkte man auf diese Weise öffentlich Verurteilte als Geächtete. Das bedeutete, dass sie jegliche menschliche Achtung für immer eingebüßt hatten. Bekannt geworden ist diese Bestrafung nicht zuletzt durch das Grimm-Märchen FRAU HOLLE, in der die faule Marie als Lohn für ihre Faulenzerei mit PECH anstatt mit Gold übergossen und zum Gespött ihres Dorfes wird.
„… Das ward die Frau Holle bald müd und sagte der Faulen den Dienst auf. Die war es wohl zufrieden und meinte nun werde der Goldregen kommen, die Frau Holle führte sie auch hin zu dem Thor als sie aber darunter stand, ward statt des Golds ein großer Kessel voll Pech ausgeschüttet. „Das ist zur Belohnung deiner Dienste“ sagte die Frau Holle und schloss das Thor zu. Da kam die Faule heim, ganz mit Pech bedeckt, und das hat ihr Lebtag nicht wieder abgehen wollen…“
FRAU HOLLE, Grimms Märchen Band 1, Auflage 1 (1812) / KHM 24, Brüder Grimm
Harmloser war nur der Einsatz von PECH bei der mittelalterlichen Vogeljagd. Hier erschließt sich für den Suchenden die sinnvollste Erklärung über den Ursprung für die Bedeutung des uns so verhassten Gegenspielers von Glück.
Jagdhelfer bestrichen die Bäumrinde von Ästen und Zweigen mit PECH, um das Fangen und Erlegen der ersehnten Vögel für die Jagdgesell-schaft zu erleichtern. Die ahnungslosen Vögel blieben mit dem Gefieder dort kleben, konnten nicht entkommen und landeten auf dem Speiseteller.
PECH GEHABT, ARMER PECHVOGEL!