Ist unsere Demokratie ein Ergebnis aus Plagiaten?
Gutenberg, das ist eigentlich ein angesehener Name. Johannes von Gutenberg ist der Erfinder des Buchdrucks und der Druckerpresse. Für uns alle, die etwas zu sagen haben und bestrebt sind, ihre Gedanken auf Papier zu bannen, ein Vorbild. Vor allem weil der um 1400 namentlich als Johannes Gensfleisch Geborene uns etwas Besonderes hinterlassen hat, das an Qualität und Ästhetik seinesgleichen sucht:
Die Gutenberg-Bibel.
Für den einen oder anderen mag der Inhalt zur Debatte stehen, trotzdem ist diese exklusive Ausgabe religiöser Geschichten ein Meisterwerk, Gutenbergs Krönung seines Druckerschaffens. Außerdem gehört die Gutenberg-Bibel bis heute zu den wohl schönsten gedruckten Büchern unserer Welt. Damit bewies der alte Meister, dass sein Werk mit kunstvoll handgeschriebenen Ausgaben mithalten konnte. Für die damalige Kunst der Schriftwelt bedeutete die Gutenberg-Bibel einen Umbruch. Fortan war eine Verbreitung von Wissen in Form einer Publikation auf deutlich unkomplizierte Weise möglich.
Aus Büchern saugen wir seit jeher Gedanken, Erfahrungen, Wissen und Wahrheiten.
Brauchbar. Inspirierend. Genial.
Das dachte sich auch Karl-Theodor zu Guttenberg.
Etwas mehr als 600 Jahre später verhalf er einem alten, seit Jahrtausenden bekannten Mittel des Gedankendiebstahls zur Renaissance.
Das PLAGIAT.
Eingesetzt von großen Männern wie Aristoteles oder Bertolt Brecht.
Ja, die haben’s auch getan!
Gedankenklau.
Irgendwie menschlich.
Sind wir überhaupt noch in der Lage Neues zu denken?
Das lateinische Wort PLAGIUM bedeutet MENSCHENDIEBSTAHL oder SEELENVERKAUF. Das eine beschreibt den Tatbestand, das andere die faustische Ebene, die jeder Plagiator betritt. Denn eins ist klar: Die Wahrheit sucht sich seinen Weg ans Licht, so dunkel und tief die Grube auch sein mag, in der wir sie gestoßen haben.
Karl-Theodor zu Guttenberg hatte für seine Dissertation „Verfassung und Verfassungsvertrag. Konstitutionelle Entwicklungsstufen in den USA und der EU“ Gedanken geklaut oder anders ausgedrückt, er hatte sie leider nicht ausreichend formgerecht zitiert. War er deswegen ein bedeutend schlechterer Bundes- verteidigungsminister?
Aber uns geht es hier eigentlich nicht um die Plagiate, die Politiker in ihren Sturm- und Drang-Zeiten begangen haben. Uns geht es um solche, die auf dem Politik-Schlachtfeld der EU eingesetzt werden. Dort, wo die Mächtigen, die Tonangeber, die Bestimmer und Gestalter unserer Gesellschaft kämpfen. Denn hier sind es wieder Politiker, die Gedankenklau betreiben. Er ist allerdings nicht nur erlaubt, sondern auch gewollt.
Das 3SAT Kulturmagazin KULTURZEIT stellte diese Woche die Frage:
Ist unsere Demokratie ein Ergebnis aus Plagiaten?
Wieso?
Die Antwort ist einfach.
Lobbyismus.
In Brüssel, dort, wo unsere EU gepflegt und gehegt wird, sind 30000 Lobbyisten unterwegs. Ein hübscher Name für abgestellte Persönlichkeiten aus Finanzwirtschaft, der Energie- und Pharmabranche sowie der Autoindustrie. Sie versorgen unsere Parlamentarier mit Informationen, die ihnen bei der Weitergestaltung unserer Gesellschaft helfen sollen. Diese Informationen werden nur allzuoft eins zu eins übernommen. So ging und geht es zu, in Brüssel. Nach vielen dubiosen Jahren des Einflüsterns und des angeblichen Steuerns unserer Politiker müssen sich die Lobbyisten nun schon länger in ein verpflichtendes Transparenzregister eintragen, um sich einen permanenten Zugang zu den EU-Gebäuden zu ermöglichen. Wir wissen also, wer sie sind, doch ändert das etwas?
Nein. Warum auch? Politiker dürsten regelrecht nach den Erfahrungen und Branchenkenntnissen der Lobbyisten. Unsere Welt wirkt auf sie wie ein komplexer Dschungel, in dem sie sich nur zurechtfinden, wenn sie auf ein großes Maß an Kraft und Ressourcen zurückgreifen. Dann lieber die textlich zusammengefassten Ideen der Branchenkenner. Das spart Zeit und Nerven. Politiker lassen sich gern von Lobbyisten beraten, obwohl sie finanzielle Mittel gestellt bekommen, selbst Recherchen zu betreiben. Außerdem: Lobbyisten beraten gern Politiker. Dass man ihnen allgemeinhin vorwirft, nichts anderes als die Interessen ihrer Konzerne zu vertreten, stört sie kaum. Sie vermitteln, stellen Kontakte her und versorgen unsere Politik mit Ideen und Konzepten, die diese dankbar übernimmt und umsetzt. Alles zum Wohl unseres Landes, unserer EU. Alles ganz einfach oder?
Die Piratenpartei definiert Lobbyismus wie folgt: „Unter Lobbyismus versteht man die Einflussnahme auf politische Entscheidungen oder auf die öffentliche Meinung durch Vertreter von Interessengruppen.“
Sie betont allerdings: „In der öffentlichen Diskussion wird der Begriff häufig (fälschlicherweise / polemischerweise) als die Korruption der politischen Elite durch Interessenvertreter der Industrie zum Zwecke der Manipulation der Politik verstanden.“
Nun ja.
Auf der Webseite LOBBYPLAG kann man eindrucksvoll selbst prüfen, wie groß der Einfluss von Lobbyisten ist. Die Plattform stellt eindrucksvoll dar, wie EU-Abgeordnete die Vorschläge von Lobbyisten in Anträge zur EU-Datenschutz-Grundverordnung eingearbeitet haben.
Und zwar frei nach dem Verfahren: COPY & PASTE. Heaven and Hell!
Wo sind nur solch kreative Denker und Erschaffer wie die eines Formates von Gutenberg oder auch die eines zu Guttenberg, der trotz Plagiatsversuchen ein durchaus brauchbarer und selbstdenkender Bundesverteidigungsminister war.